Bildungsmythen über die DDR - eine Diktatur und ihr Nachleben

Der im Rahmen der BMBF-Forschungsverbünde zur DDR-Geschichte geförderte, interdisziplinäre Forschungsverbund der BBF | Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung des DIPF, der Humboldt-Universität zu Berlin, der Universität Hildesheim und der Universität Rostock befasst sich mit Mythen über das Erziehungs- und Bildungswesen der DDR.

In verschiedenen Fallstudien der Verbundpartner werden mit Hilfe eines umfangreichen Konvoluts aus bislang nicht erschlossenen Bild-, Text-, Ton- und Filmquellen emotional wirkmächtige mentale Bilder und Narrative über Bildung, Erziehung und Schule der DDR, die die Diktatur überdauerten, analysiert und in Bezug zu den schon bald nach der Wiedervereinigung (→ Wende / Transformation) geäußerten und sich über die Jahre verstärkenden, oft positiven Einschätzungen des Erziehungs- und Bildungswesens der DDR gesetzt. Dazu gehören etwa Vorstellungen über einen sozial nicht eingeschränkten Zugang zu Bildung, eine bessere, weil systematischere (naturwissenschaftliche) Bildung und ein auch über Bildung hergestelltes, gleichberechtigtes Geschlechterverhältnis.

Zu Mythen (→ Mythos) werden diese Einschätzungen, wenn sie identitätsstiftender Bestandteil eines kollektiven Gedächtnisses werden. Durch quellenkritische und kontextualisierende Interpretation und Kontrastierung sollen Praktiken der Produktion von Erzählungen und Bildern in Erziehungs- und Unterrichtssituationen offengelegt und deren Gerinnung zu wirkungsvollen, dauerhaften Bildungsmythen (→ Bildungsmythos) untersucht werden. Die so gewonnenen Erkenntnisse und die im Verbundprojekt neu erschlossenen und genutzten Daten und Quellen werden sukzessive und nachhaltig auf dieser Plattform für Forschung, Lehre und Unterricht sowie eine inhaltlich interessierte Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Die inhaltlichen Unterschiede der innerhalb des Verbunds auch auf methodisch unterschiedliche Weisen entstandenen Forschungsergebnisse verdeutlichen die Komplexität und Unabgeschlossenheit der Erinnerungen an und Erzählungen über die lange deutsch-deutsche Transformationsgeschichte – der Geschichte allgemein, wie auch konkret der Bildungsgeschichte. Politische Beurteilungen, gesellschaftliche Auseinandersetzungen und individuelle biografische Betroffenheiten prägen den Erinnerungsraum unterschiedlich. Auch die Forscher*innen des Forschungsverbundes sind keine homogene Gruppe. Sie kommen aus unterschiedlichen Generationen, haben vielfältige Sozialisations- und Bildungshintergründe (in Ostdeutschland, Westdeutschland und international) und daher verschiedene Berührungspunkte und Erfahrungen mit und Zugänge zur Geschichte der DDR. Das spiegelt sich in ihren Forschungsansätzen und Umgangsweisen damit wider. Teil der Arbeit im Verbund ist daher auch eine gemeinsame Reflexion dieser Differenzen; sie lassen sich allerdings nicht immer systematisieren oder nivellieren.

Institutionen und Fallstudien

Humboldt-Universität zu Berlin

  • »Bildung für Alle« Eigen und Fremdbilder bei der Produktion und Zirkulation eines zentralen Mythos im transnationalen Raum

  • Kindheitserinnerungen – Narrative im Erinnerungsdialog von Grundschüler*innen mit alten Menschen aus der DDR

  • Der Mythos naturwissenschaftlicher Neutralität. Der schulische Lehrfilm im Kalten Krieg

Universität Hildesheim

  • Mythen in erzählten Bildungs- und Kindheitserfahrungen der DDR

  • Bilderwelten in Kinderliteratur und Schulbüchern der DDR

Universität Rostock

  • Sozialistische Schule zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Die Pädagogischen Lesungen in der DDR 1950-1980

Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung

  • Indoktrinierender Unterricht? – Bilder über Fachunterricht in Filmaufzeichnungen der DDR