Bilderwelten in Kinderliteratur und Schulbüchern der DDR

Die Gleichberechtigung der Geschlechter gehörte zum Selbstverständnis des Sozialismus in der DDR und war zugleich Ziel offizieller Erziehungs- und Bildungspolitik. In diesem Projekt wurde untersucht, wie sich dies in den Bildungsmedien der DDR darstellte, konkret in Bilderwelten der Kinderliteratur und Schulbücher. Dabei waren insbesondere die Geschlechterverhältnisse in Bild und Text sowie Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Kinderliteratur und Schulbüchern von Interesse.

Bildungsmedien hatten in der DDR einen Erziehungsauftrag zu erfüllen: Sie sollten zur Identifikation mit dem sozialistischen Staat beitragen und jeden einzelnen zu einer sozialistischen Persönlichkeit erziehen, die die Werte des DDR-Sozialismus kennt und verkörpert. Zu diesen Werten gehörte auch die Idee der Gleichberechtigung der Geschlechter. Obwohl die Geschlechtergleichheit erklärtes politisches Ziel der DDR war, wurde die traditionelle Zuordnung von Frauen in ihrer Verantwortlichkeit für die Reproduktions-, Care- und Erziehungsaufgaben im Kern nicht infrage gestellt (vgl. Trappe, 1995). Vor diesem Hintergrund war das Ziel des Projekts, genauer nach der Darstellung von Familien-, Generationen- und Geschlechterverhältnissen in Bildungsmedien zu fragen. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf dem Text-Bild-Verhältnis und einer möglichen Differenz zwischen dem, was im Text erzählt, und dem, was im Bild dargestellt wird.

Der verwendete Quellenbestand besteht aus ca. 50 Schulbüchern des Faches Deutsch für die Klassenstufen 1 bis 4 und ca. 40 Büchern der Kinderliteratur aus der Zeit von 1949 bis 1990. Dabei konnte auf die vollständige Sammlung der Schulbücher in der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung in Berlin (BBF) zurückgegriffen werden. Alle in der DDR erschienenen Kinderbücher sind wiederum als Quellenbestand in der Kinder- und Jugendbuchabteilung der Staatsbibliothek in Berlin einsehbar.

Die Auswahl sowohl der Schul- als auch der Kinderbücher wurde in Anlehnung an das methodische Vorgehen der seriell-ikonographischen Bildanalyse nach Pilarczyk und Mietzner (2005) getroffen. Nach einer ersten explorativen Sichtung der Bücher, wurden Dimensionen und Aspekte herausgearbeitet, in denen Geschlecht als ordnende Kategorie visuell auftrat, um nachzuvollziehen, wie Geschlecht in einzelnen Motiven gezeigt, wiederholt und als „Struktur“ gefestigt wird (vgl. Nünning & Nünning, 2004). Dafür wurde u.a. konkret in den Blick genommen, wer an den erzählten und abgebildeten Geschichten beteiligt und wer unbeteiligt ist.

Einige Fragen sind in dieser ersten Projektphase noch offengeblieben oder haben sich aufgrund der Ergebnisse neu gestellt. In der zweiten Förderphase wendet sich das Projekt deshalb der Zeit der späten DDR zu und fragt, wie sich ab den 1980er-Jahren die Themen Männlichkeit und Vaterschaft gesellschaftlich wandelten, und ob sich diese Wandlungsprozesse auch in den Bildungsmedien spiegeln. In diesen späteren Jahren der DDR kamen nicht mehr nur „Soldaten und Lehrerinnen“ (Baader, Koch, Neumann, 2023) im Zusammenhang mit Geschlechterverhältnissen und deren Berufen zur Darstellung, sondern es wurden vermehrt Väter im Kontext von Familie, Kindererziehung und Hausarbeit, also bei der Sorgetätigkeit, gezeigt.

Zudem wird der Blick vertiefter auf die Kinderliteratur gerichtet. Die Analysen der ersten Projektphase konnten Unterschiede zwischen Schulbüchern und Kinderliteratur aufweisen: Im Hinblick auf die Erziehung zur sozialistischen Persönlichkeit sind die Geschichten und Bilder in den Kinderbüchern auch von einer subtilen Kritik an den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen durchzogen, was auf größere Spielräume in der Gestaltung von Kinderbüchern hinweist. Da bislang das ästhetische und politische Potenzial in der Kinderliteratur der DDR allerdings wenig erforscht worden ist (vgl. Kohl & Ritter, 2022), werden in der zweiten Förderphase insbesondere die Gestaltungsspielräume von Kinderbuchillustrationen genauer untersucht. Dabei wird auch gefragt, wo und wie Illustrator*innen in der DDR ausgebildet wurden.

Literatur
  • Baader, M. S./ Koch, S./ Neumann, F. (2023): Von Soldaten und Lehrerinnen. Geschlechterverhältnisse in Bildungsmedien der DDR. In: Zeitschrift für Pädagogik, Beiheft 69, S. 21–39.

  • Kohl, E. M. & Ritter, M. (2022): Kindheitsgeschichten. Eine Spurensuche in der ostdeutschen Kinder- und Jugendbuchliteratur. Gransee: Edition Schwarzdruck.

  • Nünning, V. & Nünning, A. (2004): Erzähltextanalyse und Gender Studies. Stuttgart: Springer.

  • Pilarczyk, U. & Mietzner, U. (2005): Das reflektierte Bild. Die seriell-ikonographische Fotoanalyse in den Erziehungs- und Sozialwissenschaften. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

  • Trappe, H. (1995): Emanzipation oder Zwang. Frauen in der DDR zwischen Beruf, Familie und Sozialpolitik. Berlin: De Gruyter.

Ergebnisse

Das Narrativ der Geschlechtergerechtigkeit war ein wichtiges Element des staatlichen Selbstverständnisses in der DDR und der Versprechen des Sozialismus.

Illustration von Werner Klemke in einem DDR-Lesebuch für die 2. Klasse. Darauf ist eine Frau zu sehen, die sich über einen Schreibtisch beugt, an dem ein Mädchen sitzt. Die Frau hält ein Heft. Die Illustration ist mit "Wir helfen Bärbel" betitelt.
Team
Prof. Dr. Meike Baader Universität Hildesheim
Institut für Erziehungsswissenschaft
Orcid-Nr.:0000-0001-5117-1334
baader@uni-hildesheim.de
Dr. Sandra Koch

Universität Hildesheim
Institut für Erziehungsswissenschaft
Orcid-Nr.: 0000-0002-1637-7959

kochsa@uni-hildesheim.de
Friederike Neumann (ehem. Kroschel)

Universität Hildesheim
Institut für Erziehungsswissenschaft
Orcid-Nr.: 0000-0001-7133-0101

kroschel@uni-hildesheim.de