Der Mythos naturwissenschaftlicher Neutralität. Der schulische Lehrfilm im Kalten Krieg
Es galt ‚sozialistische Persönlichkeiten‘ auszubilden, die haltungsstark, faktenorientiert und kollektivgebunden waren. Dazu versuchte die pädagogische Forschung der DDR Film als pädagogisches Instrument nach Effizienzgesichtspunkten weiterzuentwickeln und zu nutzen. Die Unterrichtsfilme waren nicht nur Teil einer spezifischen audiovisuellen Kultur und Speicher intentional geprägter Wissensinhalte und Vermittlungspraktiken, sondern auch in medien- und technikhistorische Wandlungsprozesse eingebunden. Das Projekt analysierte die filmisch aktualisierten Sachinhalte und Visualisierungsformen sowie die zeitgenössischen Rezeptionsweisen. Es ermittelte die Institutionen des Unterrichtsfilms und Lehrfilms der DDR und untersuchte die Forschung zu Lehrmitteleinsatz und -wirksamkeit der DDR.
Die Lehrfilmforschung der DDR hatte sich in die Bereiche Schule, Lehreraus- und -weiterbildung sowie Hochschule differenziert. Im Rahmen einer regen, staatlich beauftragten Forschungstätigkeit zur Wirksamkeit von Lehr-Lernmitteln bzw. von Unterrichtsmitteln waren etliche Studien mit Unterrichtsbeobachtungen und Fragebogenauswertungen sowohl zur didaktischen Nutzung als auch zum Lernerfolg im Schul- und Hochschulbereich entstanden. Die Ergebnisse dieser Studien hatten Eingang in Handreichungen, Handbücher und unveröffentlichte Dissertationen gefunden. Anhand der Dokumentenanalyse dieser vielfältigen Schriften konnten Gestaltungsprinzipien der Filmproduktion und Praktiken des Filmeinsatzes in der DDR medienhistorisch erschlossen werden.
Sequenzielle Filmanalysen von DDR-Unterrichtsfilmen gaben überdies Aufschluss über den Einsatz spezifischer Gestaltungsmittel. Gefragt wurde dabei insbesondere nach Wissenschaftsnarrativen und ihrer weltanschaulichen Konnotation. Für das Projekt wurde dazu ein Teilbestand 16mm-Filme der ehemaligen Schulbildstelle Weimar digitalisiert. Zentral ist jedoch der Befund, dass sich der Gesamtbestand der in der DDR produzierten Unterrichtsfilme derzeit nicht erschließen lässt, da bislang keine Filmografie vorliegt und sich der Filmbestand am Bundesarchiv nur unzureichend recherchieren lässt. Für die Projektarbeit wurden aus Lehrmittelkatalogen der DDR die Filmtitel ermittelt, die zwischen 1950 und 1990 für die Unterrichtsfächer Chemie, Biologie und Physik gelistet waren. Zugänglich sind diese Kataloge über die Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung (BBF). Die so gewonnenen Daten wurden mit denen vorhandener Film-Datenbanken abgeglichen und mit projektrelevanten Metadaten ergänzt – dieser Arbeitsprozess ist noch nicht abgeschlossen.
Auch wenn in den lehrfilmtheoretischen Texten der DDR besonders die Motivationskraft dieser audiovisuellen Medien hervorgehoben wurde, fanden sich bislang nur wenige Hinweise darauf, wie Schüler*innen den Filmen begegneten. In der zweiten Projektphase wendet sich die Fallstudie verstärkt den Schüler*innen zu. Betrachtet wird dabei auch, welche Rolle die vermeintlichen Anforderungen einer ‚wissenschaftlich-technischen Revolution' in den schulischen Lehrfilmen spielten, die ab den 1970er-Jahren für die bildungspolitischen Maßnahmen der DDR relevant wurden.
In den naturwissenschaftlichen Unterrichtsfilmen der DDR wurden mit der Vermittlung von Fachwissen zugleich auch politisch nachwirkende Bilder vermittelt.
Die Organisation von Produktion und Vertrieb der DDR-Unterrichtsfilme wurde staatlich gesteuert und detailliert kontrolliert.
Humboldt-Universität zu Berlin
Abteilung Historische Bildungsforschung
Orcid-Nr.: 0009-0009-9489-5071