Fortschritt durch Wissenschaft

Foto aus dem Privatnachlass von H.G. Heun, "Regiezentrale 1" im Pädagogischen Labor HUB, 05.06.1970 Quelle

Wissenschaft war spätestens im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einer besonderen und ausgezeichneten Form der Gewinnung eines objektiven, wahren Wissens über die Natur und schließlich auch die Gesellschaft geworden und spielte bei der Entwicklung der ‚modernen‘ Schule, der Ausbildung von Fächern, Ordnungen des schulischen Wissens und unterrichtlicher Kulturen, deren Grundzüge bis heute bestehen (vgl. Caruso & Reh, 2021, S. 255), eine zentrale Rolle. Gleichzeitig erhielt Wissenschaft eine starke nationale Aufladung, wurde zur deutschen Wissenschaft (vgl. Kolkenbrock-Netz, 1991) und angewandt in technischen Entwicklungen schließlich zum Garanten des gesellschaftlichen Fortschritts. Insbesondere in den Auseinandersetzungen um den naturwissenschaftlichen Unterricht und seine Bedeutung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in der die Legitimierung von zu vermittelnden Wissensbeständen, Wissensformen und Praktiken an den höheren Schulen immer stärker über deren wissenschaftlichen Anspruch erfolgte, entwickelte sich so der Bildungsmythos „Fortschritt durch Wissenschaft“. Im marxistisch-leninistischen Denken der DDR mit seiner „Wissenschafts- und Technikgläubigkeit“ (vgl. Ash, 1997, S. 2) wurde dieser wieder aufgenommen und ließ Bilder eines technikorientierten, effektiven, an Wissenschaftlichkeit – im Sinne von Fakten und Systematik – orientierten Unterrichts mit modernen, sinnvoll eingesetzten Unterrichtsmedien – allemal dann, wenn es sich um Lehrfilme für den naturwissenschaftlichen Unterricht handelte – entstehen.

Literatur
  • Ash, T. G. (1997): Wissenschaft, Politik und Modernität in der DDR – Ansätze zu einer Neubetrachtung. In: Weisemann,K./ Kröner, P./ Toellner, R. (Hrsg.): Wissenschaft und Politik – Genetik und Humangenetik in der DDR (1949 – 1989). Münster: LIT, S. 1–25.

  • Caruso, M. & Reh, S. (2021): Unterricht. In: Kluchert, G./ Horn, K.-P./ Groppe, C./ Caruso, M. (Hrsg.): Historische Bildungsforschung. Konzepte – Methoden – Forschungsfelder. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 255–266.

  • Kolkenbrock-Netz, J. (1991): Wissenschaft als nationaler Mythos. Anmerkungen zur Haeckel-Virchow-Kontroverse auf der 50. Jahresversammlung der deutschen Naturforscher und Ärzte in München (1877). In: Link, J. & Wülfing, W. (Hrsg.): Nationale Mythen und Symbole in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Strukturen und Funktionen von Konzepten nationaler Identität. Stuttgart: Klett-Cotta, S. 212–236.

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