In der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) wurden die Grundsteine für das spätere – zunächst am sowjetischen Schulsystem angelehnte, auf den Marxismus-Leninismus orientierte, dann immer mehr eigenständig entwickelte – Volksbildungswesen der DDR gelegt. Nachdem am 27. Juli 1945 auf Befehl der Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) die Deutsche Zentralverwaltung für Volksbildung (von 1946 bis 1949 „Deutsche Verwaltung für Volksbildung“) eingerichtet worden war, begann eine intensive Arbeit an einem „Neubeginn“ des Schul-, Erziehungs- und Bildungssystems. Dabei bezog sich der Neubeginn nach dem 2. Weltkrieg zum einen auf die Instandsetzung der z.T. zerstörten Schulgebäude und zum anderen auf die vor dem Hintergrund der Entnazifizierung dringliche Aufgabe der Gewinnung neuer Lehrkräften sowie der Neuentwicklung der bisherigen „nazistischen“ Lehrbücher und -methoden. Erklärtes bildungspolitisches Ziel dieser ersten Phase war also eine „demokratische Schulreform“, die zur antifaschistischen und „wahrhaft demokratischen“ Bildung und Erziehung beitragen sollte und ein einheitliches demokratisches Schulsystem grundlegen sollte (vgl. Gemeinsamer Aufruf von KPD und SPD zur demokratischen Schulreform vom 18.10.1945, zit. n. Baske & Engelbert, 1966, S. 5–7). So befassten sich auch der I. und II. der Pädagogischen Kongresse mit der „Demokratisierung“ von Bildung und Schule (vgl. die Protokolle BArch DR2/2 und DR2/7).
In dieser ersten Phase der Differenzierung war das Volksbildungswesen der DDR gegliedert in Kindergarten, Grundschule, Berufsschule, Fachschule, Oberschule, Volkshochschule, Abendschule, Vorstudienanstalten (den späteren Arbeiter- und Bauernfakultäten) sowie Universität und Hochschule. Volksbildung umfasste zunächst alle diese Bildungs- und Erziehungseinrichtungen, aber auch die Jugendhilfe, außerschulische Erziehung, Wissenschaft, Kunst und Kultur, Rundfunk sowie Sport. Die Zuständigkeiten für Sport, Rundfunk, Hoch- und Fachschulwesen, Kunst, Literatur und Film wurden in den folgenden Jahren sukzessive an andere Organe abgegeben. Spätestens mit der Einrichtung des Ministeriums für Volksbildung am 1. Januar 1950 rückten weitere Entwicklungsthemen in den Mittelpunkt der Schul- und Bildungspolitik. Einerseits wurde in direkter Anlehnung an das Sowjetische System nun auf eine stärkere „Einheit von ideologischer Erziehung und fachlicher Bildung“ gedrungen und diese auch durch Gesetze und Beschlüsse vorangetrieben (vgl. Baske, 1998, S. 170ff.). Andererseits setzte, ausgelöst durch einen Beschluss des SED-Politbüros, eine Diskussion über die „Polytechnisierung“ von Erziehung, Bildung und Unterricht ein. Dem Ministerium für Volksbildung waren das Deutsche Pädagogische Zentralinstitut (DPZI) sowie der staatsmonopolistische Schulbuchverlag „Volk und Wissen“ unterstellt. Es hatte somit also auch einen bedeutenden Einfluss auf die wissenschaftliche Pädagogik sowie die schul-/lehrplanbezogene Publikationstätigkeit.
Ab Mitte der 1960er-Jahre folgte eine Phase stärkerer Konsolidierung und Vereinheitlichung. Auf Ebene der Bildungsinhalte wurde seit 1964 an einem einheitlichen Lehrplanwerk für alle Klassen und Fächer der Zehnklassenschule gearbeitet. Auf Ebene der Strukturen wurde mit dem „Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem“ (25. Februar 1965) diesem seine ausdifferenzierte Form gegeben: Es bestand aus Kinderkrippen (von 1-3 Jahren) und Kindergärten (ab 3 Jahren bis zum Schuleintritt), einer zehnjährigen, verpflichtenden allgemeinbildenden Polytechnischen Oberschule (mit Unter-, Mittel- und Oberstufe; POS). Hinzu kamen sogenannte Spezialschulen für besonders begabte sowie Hilfsschulen und Sonderschuleinrichtungen für „psychisch oder physisch geschädigte“ Kinder und Jugendliche. An die POS schlossen die Einrichtungen der Berufsausbildung, zur Hochschule führende Erweiterte Oberschulen (EOS), Ingenieur- und Fachschulen, Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung der Werktätigen an. Universitäten und Hochschulen wiederum bauten im Wesentlichen auf der EOS und der BmA auf. Dabei war das Ministerium für Volksbildung weiterhin auch für Erziehungsheime und die außerschulische Erziehung zuständig. Vielgestaltig waren die Bemühungen, eine feste Verbindung zwischen Schul- und Familienerziehung aufzubauen, erfolgreich vor allem jene, die es vermochten, die Massenorganisationen der Jungen Pioniere und der Freie Deutschen Jugend (FDJ) in die Schularbeit einzubinden.
Unter der bildungspolitischen Maxime „Stabilität und Kontinuität“ blieb das Volksbildungswesen in seinen Strukturen bis in die späten 1980er-Jahre relativ stabil. Nicht nur im pädagogischen Diskurs, auch statistisch sind trotz der strukturellen Kontinuität von 1965 bis 1980 Entwicklungen und Veränderungen auffällig. So ist der Anteil der Schüler*innen, die die zehnjährige Oberschulpflicht erfüllten von 52,7 % (1965) auf 86,8 % (1980) gestiegen. Der Anteil der EOS-Absolvent*innen am jeweiligen Altersjahrgang ist wiederum zwar von 9,1 % (1966) zunächst auf 9,8 % (1970) gestiegen, jedoch schließlich auf 7,7 % (1980) gesunken. Durch insgesamt sinkende Schüler*innenzahlen und eine steigende Anzahl vollbeschäftigter Lehrkräfte sank die Zahl der Schüler*innen je Klasse von 27,6 (1965) auf 22,6 (1980) an den POS und von 26,1 (1965) auf 20,4 (1980) an den EOS. Obwohl eine gewisse Modernisierung, wie die Aufnahme von Informatik und Computerbildung ins Lehrplanwerk oder das Aufgreifen neuer naturwissenschaftlicher Erkenntnisse, zu verzeichnen war, kam es insgesamt bis zum Ende der DDR zu keinen tiefgreifenden Reformen mehr.
Literatur
Baske, S. (1998): Allgemeinbildende Schulen. In: Führ, C. & Furck, C.-L. (Hrsg.): Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd. 2, 1945 bis zur Gegenwart. München: Beck, S. 159–201.
Baske, S. & Engelbert, M. (Hrsg.) (1966): Zwei Jahrzehnte Bildungspolitik in der Sowjetzone Deutschlands. Dokumente. Erster Teil 1945 bis 1958. Berlin: Hildebrandt & Stephan.
Geißler, G. (2000): Geschichte des Schulwesens in der sowjetischen Besatzungszone und in der Deutschen Demokratischen Republik 1945 bis 1962. Frankfurt a.M.: Lang.