Während des Kalten Krieges standen die beiden deutschen Staaten in vielen gesellschaftlichen Bereichen in einem Wettstreit darum, welches System – Sozialismus oder Kapitalismus – technologisch, ökonomisch und politisch das erfolgreichere, friedlichere und gerechtere Gesellschaftsmodell sei. Diese Konkurrenz zog sich durch viele Themen, insbesondere wurde sie jedoch im Bereich der Familienpolitik (Frevert, 2000) und im Bildungs- und Erziehungssystem ausgetragen. Dies führte z.B. zu Gegensätzen in Grundfragen der Bildungspolitik: Während seit dem Beutelsbacher Konsens (1976) in der BRD ein Überwältigungsverbot herrschte, wurde die Praxis in der DDR von der Forschung auch als eine Art „Überwältigungsgebot“ (Mathes, 2022, S. 130) bezeichnet. Dabei wurden Inhalte stark emotionalisiert vermittelt, um die Menschen zu regieren und politisch zu steuern.
Eine wichtige Rolle der konkurrierenden Bildungssysteme spielte auch der Umgang mit dem Nationalsozialismus. So warf die DDR der BRD vor, sich in der Lehrerschaft nicht vom nationalsozialistischen Personal getrennt zu haben, während sie selbst sich mit den sogenannten „Neulehrern“ einen erneuerten Lehrkörper aus jungen, als unbelastet geltenden Personen geschaffen habe. Zudem erhob der Sozialismus in der DDR den Anspruch, anders als die BRD, ihren Schüler*innen die gleichen Bildungschancen unabhängig von sozialer Herkunft und Geschlecht zu bieten (Baader/Koch/Neumann, 2023). Die Erziehungs- und Bildungspolitik der SED und insbesondere die Bildungsministerin Margot Honecker versprachen der Bevölkerung der DDR, nur im Sozialismus könnten Kinder und Jugendliche zu glücklichen Menschen heranwachsen.
Im Jahr 1978 führte die Einführung des Wehrunterrichts allerdings zu Unmut bei Bürger*innen und schadete dem Image der DDR als „Friedensstaat“ (Sachse, 2022). Insbesondere aber die Ungerechtigkeit im Bildungssystem, wie beispielsweise fehlende Entfaltungs- und Aufstiegschancen sowie verhinderte Bildungswege, führten zu starker Kritik, die sich in der Friedlichen Revolution äußerte und zum Niedergang der DDR beitrug. Dabei spielte auch eine Rolle, dass es das Erziehungs- und Bildungssystem der DDR seit den frühen 1980er Jahren nicht mehr schaffte, dass sich die Jugendlichen mit dem sozialistischen System identifizierten (Wierling, 2000).
Literatur
Baader, M. S./ Koch, S./ Neumann, F. (2023): Von Soldaten und Lehrerinnen. Geschlechterverhältnisse in Bildungsmedien der DDR. In: Zeitschrift für Pädagogik, Beiheft 69, S. 21–39.
Frevert, U. (2000): Umbruch der Geschlechterverhältnisse? Die 60er Jahre als geschlechterpolitischer Experimentierraum. In: Schildt, A./Siegfried, D./Lammers, C. (Hrsg.): Dynamische Zeiten. Die 60er Jahre in beiden deutschen Gesellschaften. Hamburg: Hans Christians Verlag, S. 624-660.
Mathes, E. (2022): Schulbücher und sonstige Unterrichtsmittel in der DDR. In: Benecke, J. (Hrsg.): Erziehungs- und Bildungsverhältnisse in der DDR. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 125-139.
Sachse, C. (2022): Wehrerziehung von Kindern und Jugendlichen in der DDR. In: Benecke, J. (Hrsg.): Erziehungs- und Bildungsverhältnisse in der DDR. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 172-189.
Wierling, D. (2000): Erzieher und Erzogene. Zu Generationenprofilen in der DDR der 60er Jahre. In: Schildt, A./Siegfried, D./Lammers, C. (Hrsg.): Dynamische Zeiten. Die 60er Jahre in beiden deutschen Gesellschaften. Hamburg: Hans Christians Verlag, S. 624-641.