1947 setzte in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) unter den Bedingungen einer sich entwickelnden Ost-West-Konkurrenz ein 1948/49 forcierter Paradigmenwechsel hin zur Adaption der sogenannten Sowjetpädagogik ein. Dieser folgte der Neuorientierung auf eine sozialistische Gesellschaftsperspektive. Ähnlich der Aburteilung reformpädagogischer Entwicklungen im Jahrzehnt nach der russischen Oktoberrevolution durch die Beschlüsse des Zentralkomitees der KPdSU (B) „Über die Grund- und Mittelschule“ vom 5.09. 1931 und „Über die Lehrpläne und die Schulordnung der Grund- und Mittelschule“ vom 25.08. 1932 richtete sich die Bildungspolitik der SED-Führung im gesellschaftspolitischen und ökonomischem Interesse gegen reformpädagogische Tendenzen der ersten Nachkriegsjahre in der SBZ. Adaptiert wurde im Zeitraum bis zu Stalins Tod (5.3.1953) und dem 17. Juni 1953 die sowjetische Variante einer intentionalen, auf Belehrung in Verbindung mit „politisch-ideologischer“ Erziehung angelegten Lernschulpädagogik. Der Versuch, sich bis zur Kopie an Entwicklungen des sowjetischen Bildungssystems zu orientieren, scheiterte 1953 in wesentlichen Punkten. Nachhaltige Wirkungen zeitigte jedoch die „Verordnung über die Unterrichtsstunde als Grundform der Schularbeit, die Vorbereitung, Organisation und Durchführung der Unterrichtsstunde und die Kontrolle der Kenntnisse der Schüler“ vom 4.7.1950. Für das bis 1961 nach stetiger Abwanderung in die Bundesrepublik in der DDR verbliebene Personal vereinfachte die Verurteilung der anspruchsvolleren Reformpädagogik und die Rückkehr zum traditionellen Lernschulkonzept die Ausübung des Berufes. Obgleich die Adaption des Modells der sowjetpädagogischen Pädagogik im Weiteren tendenziell einer sowjetischen Einflussnahme wich und schließlich selbst Kooperationsprojekte ermöglichte, hatten die frühen Übersetzungen sowjetischer Pädagogiklehrbücher (Jessipow, B.P./Gontscharow, N.K 1948 und Ogorodnikow, I.T./Schimbiriew, P. N. 1949) gleichwohl ungebrochene erziehungstheoretische Konsequenzen vor allem hinsichtlich der nach wie vor tragenden Begriffe Erziehung, Bildung und Unterricht. Zudem förderte die semantische Aufhebung des traditionellen Gemeinschaftsbegriff im Kollektivbegriff (Makarenko) die Akzeptanz sowjetpädagogischer Grundlagen. . Im Zeichen marxistisch-leninistischer Parteiideologie und der ‚führenden Rolle‘ der SED verloren anders sozialisierte Erziehungswissenschaftler*innen die Möglichkeit, souverän über die Grundlagen der Pädagogik als Wissenschaft zu verfügen. Wirkungen der Aneignung einer solchermaßen verstandenen Sowjetpädagogik lassen sich in Publikationen bis gegen Ende der DDR trotz der späten Distanzierung von sowjetpädagogischen Tendenzen in der Gorbatschow-Ära nachweisen.
Literatur
Dorst, W. (1953): Erziehung, Bildung und Unterricht in der deutschen demokratischen Schule: Grundlagen. Berlin: Volk und Wissen.
Lost, C. (2000): Sowjetpädagogik. Wandlungen Wirkungen Wertungen in der Bildungsgeschichte der DDR. Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren.
Tenorth, H.-E. & Wiegmann, U. (2022): Pädagogische Wissenschaft in der DDR. Ideologieproduktion, Systemreflexion und Erziehungsforschung. Studien zu einem vernachlässigten Thema der Disziplingeschichte deutscher Pädagogik. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.