Sonderschulwesen

Ab den 1950er-Jahren wurde in der DDR ein differenziertes Sonderschulsystem etabliert (Verordnung über die Beschulung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen mit wesentlichen physischen und psychischen Mängeln, 1951). Die Sonderschulen und andere sonderpädagogische Einrichtungen in der DDR, u.a. Hilfsschulen hatten die Bildung und Erziehung aller Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen mit wesentlichen physischen oder psychischen Schädigungen zu gewährleisten (Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem, 1965, § 19). Theoretisch begriff sich die Hilfsschulpädagogik in der DDR als Teil der Allgemeinen Pädagogik, lediglich das methodische Vorgehen an Sonderschulen weist einige Spezifika auf. Für das Sonderschulsystem der DDR war, wie auch für alle anderen Bildungseinrichtungen, das Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem in all seinen Grundsätzen bindend.

Grundlegendes bildungspolitisches und rechtliches Dokument für sonderpädagogische Einrichtungen war der §19 des „Gesetzes über das einheitliche sozialistische Bildungssystem“ (1965). Der Paragraph stellte sicher, dass Sonderschulen und sonderpädagogische Einrichtungen darauf abzielten, die Bildung und Erziehung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit erheblichen körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen zu gewährleisten. Diese Einrichtungen betreuten Menschen mit Schwerhörigkeit, Gehörlosigkeit, Sehschwäche, Blindheit, Sprach- und Stimmstörungen, geistigen oder körperlichen Behinderungen, Verhaltensstörungen sowie Kinder und Jugendliche mit chronischen Krankheiten oder Krankenhausaufenthalten. Dieses wurde später ergänzt durch die „Fünfte Durchführungsbestimmung zum Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem – Sonderschulwesen –“ vom 20.12.1968. Nunmehr wurde die Schüler*innenschaft eingegrenzt: „In Hilfsschulen werden schulbildungsunfähige schwachsinnige Kinder und Jugendliche aufgenommen. Sie weisen physisch-psychische Ausfälle und Störungen mit Auswirkungen auf die gesamte Persönlichkeit auf, so daß sie die allgemeinen Bildungs- und Erziehungsinhalte nur begrenzt aufnehmen und verarbeiten können.“ (5. Durchführungsbestimmung zum Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem – Sonderschulwesen, 1968, § 3 (1))

Die Hilfsschulklassen an Allgemeinen Hilfsschulen wurden nach dem Schweregrad der „Intelligenzminderung“ in drei „Züge“ kategorisiert, wobei der sogenannte A-Zug für Kinder und Jugendliche mit „leichten Intelligenzminderungen (Debilität)“, die B- und C-Züge für jene mit „Intelligenzminderungen mittleren Grades“ vorgesehen waren. Spätestens ab den 1970er Jahren wurden die C-Züge an Hilfsschulen aufgelöst, womit sich neben den (schulbildungsfähigen) Hilfsschüler*innen eine Gruppe ergab, die als schulbildungsunfähig, jedoch förderungsfähig deklariert wurde. Abgegrenzt von diesen beiden Gruppen wurde die Gruppe von Kindern und Jugendlichen „mit schwerem Grad von ‚Schwachsinn‘ (Idiotie)“, die sogenannten „schulbildungsunfähigen, förderungsunfähigen Kinder“. Sie wurden ab etwa Mitte der 1970er-Jahre in speziellen Fördereinrichtungen, die nicht dem Bildungssystem der DDR, sondern dem Gesundheitswesen angegliedert waren, untergebracht (vgl. Koch & Koebe, 2019).

Literatur

Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem (1965). (Abruf 22.04.2024: https://ghdi.ghi-dc.org/sub_do...).

Koch, K. & Koebe, K. (2019): Die ‚anderen Kinder‘ in der DDR – Zeitgenössische Quellen und literarische Texte als Quelle für die Illustration, Ergänzung und Relativierung der Diskussion zum Umgang mit geistig behinderten Kindern. In: Schriftenreihe der Arbeitsstelle der Pädagogischen Lesungen an der Universität Rostock 1, 4.

Ministerium für Volksbildung (1968): Fünfte Durchführungsbestimmung zum Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem – Sonderschulwesen – Vom 20. Dezember 1968. Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik. Jg. 1969, Teil II, 36 bis 40. In: Kommission für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin (Hrsg.) (1974): Dokumente zur Geschichte des Schulwesens in der Deutschen Demokratischen Republik. Teil 3: 1968–1972/73. 1. Halbband. Berlin: Volk und Wissen, S. 110–117.

Verordnung über die Beschulung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen mit wesentlichen physischen und psychischen Mängeln (1951). In: Gesetzblatt der DDR vom 05.10.1951.