Mit der Einführung der obligatorischen achtklassigen Grundschule gelang im bildungspolitischen Selbstverständnis der DDR ab 1946 die Überwindung der traditionellen Volksschule. Im nächsten Schritt strebte die SED-Führung im Kontext des Aufbaus der „Grundlagen des Sozialismus“ danach, die Pflichtschule auf Oberschulniveau zu heben. Um dieses Ziel angesichts öffentlicher Irritationen über die Verlängerung der Pflichtschulzeit auf zehn Jahre und einiger Bedenken gegen die Beteiligung Minderjähriger an produktiver Arbeit zügig zu erreichen, nahm die SED-Führung die vorbereitenden Schritte und das Gesetzgebungsverfahren unmittelbar in die eigenen Hände. Das Schulgesetz vom 2. Dezember 1959 bestimmte die zehnklassige allgemeinbildende Oberschule zur künftigen Pflichtschule. In den 1970er Jahren galt die POS als durchgesetzt. 1988/89 absolvierten 90,4 Prozent der Schülerinnen und Schüler die POS erfolgreich.
Bereits 1958 war auf Beschluss der SED-Führung zudem der polytechnische Unterricht mit dem Unterrichtstag in der Produktion und einem Technologieunterricht – wenn auch ohne hinreichende konzeptionelle Vorarbeiten – verordnet worden. Dass Marx diesen Bildungsbereich nach der Eroberung der Macht durch die Arbeiterklasse für unvermeidlich hielt, um die Grundformen des ‚produktive(n) Tuns‘ des Menschen zu verstehen und auf die notwendige Disponibilität des ‚vollseitig‘ entwickelten Produzenten in einer künftigen industriellen Arbeitswelt vorzubereiten, bot eine hinreichende Legitimation. Zudem war in der Sowjetunion das Fach kurz zuvor in etwas anderer Akzentuierung und nach zwei Jahrzenten seiner Nichtexistenz wieder eingeführt worden. Der polytechnische Unterricht umfasste in der DDR Schulgarten- (Klassen 1-4) und Werkunterricht (Klassen 1-6), in den Klassen 7-10 mit 4-5 Wochenstunden „Einführung in die sozialistische Produktion“, Technisches Zeichnen und den Unterrichtstag in der sozialistischen Produktion“ bzw. seit den 1970er Jahren die „produktive Arbeit der Schüler“. In der Regel wechselten sich der theoretische Unterricht und die praktische Arbeit in Schülerwerkstätten (v.a. in der Klasse 7) und sodann möglichst in der unmittelbaren betrieblichen Produktion der Landwirtschaft oder Industrie 14tägig ab. Zugleich wurde Polytechnik als Prinzip des allgemeinbildenden Unterrichts konzipiert. Die polytechnischen Unterrichtsfächer umfassten zusammen mit dem mathematisch-naturwissenschaftlichen Bildungsbereich rund die Hälfte des gesamten Unterrichts.
Literatur
Anweiler, O./ Mitter, W./ Peisert, H./ Schäfer, H.-P./ Stratenwerth, W. (Hrsg.) (1990): Vergleich von Bildung und Erziehung in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik. Köln: Verlag Wissenschaft und Politik.
Marx, K. (1962): Werke, Bd. 23. Berlin: Dietz Verlag.
Neuner, G. & Autor*innenkollektiv (Hrsg.) (1972): Allgemeinbildung Lehrplanwerk Unterricht. Berlin: Volk und Wissen.
Neuner, G. & Autor*innenkollektiv (Hrsg.) (1988): Allgemeinbildung und Lehrplanwerk. 2. Aufl. Berlin: Volk und Wissen.
Uhlig, C. & Wiegmann, U. (1994): Struktur- und Funktionswandel des Schulwesens in der DDR. In: Müller, D. K. (Hrsg.): Pädagogik. Erziehungswissenschaft. Bildung. Köln, Weimar, Wien: Böhlau, S. 261–293.