‚Parteilichkeit‘ ist ein Begriff, der in der DDR im Kontext der staatstragenden ‚marxistisch-leninistischen Philosophie und Wissenschaft‘ genutzt wurde, um ein bestimmtes Merkmal immer standortgebundenen ‚gesellschaftlichen Bewusstseins‘ und die ‚Klassengebundenheit einer Ideologie‘ oder einer Weltanschauung zu charakterisieren. Aus dieser Sicht ist damit gleichzeitig aber auch die eigene erkenntnistheoretische Position gegenüber der bürgerlichen Philosophie und dem bürgerlichen Objektivismus bzw. gegenüber der Idee einer überparteilichen Objektivität abgegrenzt und gekennzeichnet. Erst der Marxismus-Leninismus leugne die Standortgebundenheit der vertretenen Weltanschauung nicht und bringe sie explizit zum Ausdruck, d.h. er bekenne sich ausdrücklich zur Parteinahme für die Arbeiterklasse und damit nach diesem Verständnis für den historischen Fortschritt. Im Sozialismus (in dieser Phase befand sich nach Auffassung der SED die DDR) falle Parteilichkeit, eben Parteilichkeit für die Arbeiterklasse, d.h. für die SED, mit der wissenschaftlichen Wahrheit – und in dem Sinne auch mit Objektivität – zusammen. Immer wieder, wenn im Kontext des pädagogischen Diskurses auf Wissenschaftlichkeit rekurriert wurde, wenn etwa von der Wissenschaftlichkeit des Unterrichts die Rede war, war sofort auch Parteilichkeit in diesem Sinne mitgedacht. Auf diese Weise konnten immer wieder Positionierungen für Programm und Beschlüsse der SED als Plädoyer für Wissenschaftlichkeit eingefordert werden. Die beschriebene marxistisch-leninistische Konzeption einer parteilichen Wissenschaft und deren Praxis wurde nach der ‚Wende‘ scharf kritisiert, schloss im westlichen Verständnis Wissenschaft Parteilichkeit doch kategorial aus, auch wenn in verschiedenen wissenschaftstheoretischen Ansätzen Standortgebundenheit und Historizität wissenschaftlicher Erkenntnis mitgedacht werden.
Literatur
Klaus, G. & Buhr, M. (1965): Parteilichkeit. In: Klaus, G. & Buhr, M. (Hrsg.): Philosophisches Wörterbuch. 2. Aufl. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, S. 405–408.
Sabrow, M. (1995): Parteiliches Wissenschaftsideal und historische Forschungspraxis. Überlegungen zum Akademie-Institut für Geschichte (1956–1989). In: Sabrow, M. & Walther, P. T. (Hrsg.): Historische Forschung und sozialistische Diktatur: Beiträge zur Geschichtswissenschaft der DDR. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag, S. 195–225.