In Beiträgen zur DDR-Bildungsgeschichte werden das Deutsche Pädagogische Zentralinstitut (DPZI) und nachfolgend die Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR (APW) oft als Leiteinrichtung (vgl. Eichler & Uhlig, 1993, S. 118; Malycha, 2009, S.171) oder Leitinstitution (vgl. Zabel, 2009, 88; Tenorth, 2017, S. 207) bezeichnet. Dieser Ausdruck verweist auf die zentralisierte staatliche Ausrichtung und den funktionalen Anspruch beider Einrichtungen, die dem Ministerium für Volksbildung (MfV) direkt unterstellt waren und nach den Beschlüssen des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (ZK der SED) operierten. Von diesen Stellen bekamen sie Aufgaben für die Bildungsforschung und -planung, Konzeption von Lehrmitteln, Lehrerbildung und Kaderbildung zugewiesen. In der Arbeit beider Einrichtungen spielten demnach Ansprüche an eine anerkannte Wissenschaftsinstitution eine ebenso große Rolle wie der Bedarf an umfassender ‚ideologischer‘ Kontrolle durch die SED-Regierung.
Pläne zur Gründung des DPZI gehen bis ins Jahr 1945 zurück. Auf Weisung der Verwaltungsorgane der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) wurde 1949 ein außeruniversitäres pädagogisches Institut geschaffen, das 1954 das unabhängige Promotionsrecht erhielt. Als Hauptarbeitsfelder waren die fachmethodische Forschung (siehe auch Fachmethodiken) und deren Anwendung in Lehrplanarbeit und Lehrerbildung festgelegt. Unterstützend dazu wurden Referate gebildet, die theoretische Analysen erstellen sollten, z.B. „Sowjetpädagogik“ oder „Psychologie“ (vgl. Zabel, 2009, S. 402; siehe auch Pädagogische Psychologie). Ergebnisse dieser inhaltlichen Zuarbeit wurden in die Formulierung grundlegender bildungspolitischer Vorgaben und Gesetze aufgenommen, z.B. im ‚Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem'(1965). Das DPZI wurde während seines Bestehens mehrfach umstrukturiert, dabei kam es Ende der 1950er-Jahre zu eingreifenden politischenDisziplinierungsmaßnahmen und Neubesetzungen von leitenden Positionen (Wiegmann 1993, S. 79f.)
Gegen Ende der 1960er-Jahre wurde die Gründung der APW nach dem gleichnamigen sowjetischen Vorbild aus dem DPZI heraus organisiert, die bisherigen Organisationseinheiten des DPZI gingen darin auf. Strukturiert in Institute, Arbeitsstellen und Abteilungen wurden der Akademie ab 1970 weitreichendere Befugnisse in der Koordination von pädagogischer bzw. fachmethodischer Forschung im Hochschulbereich und Gutachterfunktionen für Unterrichtmittel und Fachpublikationen in Schul- und Lehrerbildung übertragen. Sie sollte eine zentral und zweckrational ausgerichtete ‚Großforschung‘ verwirklichen und diese in Reformen und Evaluationen der Lehrpläne und -materialien in der allgemeinen Schulbildung auf gesamtstaatlicher Ebene implementieren. Ihr wurden darüber hinaus Forschungen und Erhebungen im Bereich der ideologischen Erziehung, der Bildungssoziologie und der pädagogischen Psychologie übertragen. Die dabei entstehenden Konfliktpunkte resultierten gegen Ende der 1980er-Jahre in internen Auseinandersetzungen von APW- und MfV-Führungskadern und der ministeriellen Abwertung zentraler Forschungsergebnisse (Döbert & Geißler, 1999, S.11f.).
In der beginnenden Transformationszeit 1989/90 wurde die Arbeit der APW von Wissenschaftler*innen aus Ost- und Westdeutschland vor allem im Hinblick auf ihre politisch-ideologische Funktion massiv kritisiert. Ihre Auflösung erfolgte zum Ende des Jahres 1990 durch das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft (Malycha, 2008, S.160–163). Überlieferte Aktenbestände und Nachlässe beider Institutionen sind im Archiv der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung in Berlin aufbewahrt und einsehbar.
Literatur
Beschluss des Politbüros der SED 28. Juni 1949. In: Dietrich, G. (1993): Politik und Kultur in der SBZ. Bern: Peter Lang, S. 412–418.
Döbert, H. & Geißler, G. (1999): Zur Entstehungsgeschichte des Bilanzmaterials. In: Hoffmann, D./ Döbert, H./ Geißler, G. (Hrsg.): Die „unterdrückte“ Bilanz. Zum Verhältnis von Erziehungswissenschaft und Bildungspolitik am Ende der DDR. Weinheim: Beltz, S. 11–26.
Eichler, W. & Uhlig, C. (1993): Die Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR. Was sie wollte, was sie war und wie sie abgewickelt wurde. In: Zeitschrift für Pädagogik, Beiheft 30, S. 115–126.
Malycha, A. (2008): Die Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR 1970–1990. Zur Geschichte einer Wissenschaftsinstitution im Kontext staatlicher Bildungspolitik. Leipzig: Akademische Verlagsanstalt.
Tenorth, H.-E. (2017): „Erziehung gebildeter Kommunisten“ als politische Aufgabe und theoretisches Problem. Erziehungsforschung in der DDR zwischen Theorie und Politik. In: Zeitschrift für Pädagogik, Beiheft 63, S. 207–275.
Zabel, N. (2009): Zur Geschichte des Deutschen Pädagogischen Zentralinstituts der DDR. Eine institutionengeschichtliche Studie (Diss.). Chemnitz: Technische Universität.
Wiegmann, U. (1993): SED-Führung – Administration – erziehungswissenschaftliche Zentrale. Zur Entwicklung der Machtverhältnisse im Volksbildungsbereich der DDR an der Schwelle zur „entwickelten (real-)sozialistischen Gesellschaft“. In: Zeitschrift für Pädagogik, Beiheft 30, S. 75–88.