Die ‚Lebensverbundenheit‘ beschrieb in der DDR ein allgemeindidaktisches „Prinzip“, das bei der Planung von Lehrplänen und methodischen Vorgaben vor allem im Verlauf der 1970er-Jahre eine immer größere Rolle spielte. Im pädagogischen Wörterbuch, herausgegeben von der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften (APW) der DDR, wurde der Terminus gefasst als „die Beziehungen eines Bildungssystems, eines Erziehungs- oder Unterrichtsprozesses, zum gesellschaftlichen Leben“ (APW, 1987b, S. 223). Die Nutzung des Begriffes verweist einerseits auf Problemerhebungen, die die Schwierigkeiten einer ineffektiven, ‚szientifischen‘ Ausrichtung der Unterrichtspraxis zu adressieren suchten. Im Zuge der angespannten wirtschaftlichen Lage und des sich verschärfenden Fachkräftemangels galt es andererseits, Wissen zu sichern und anwendbar zu machen.
Mit der Vorgabe der Lebensverbundenheit wurden vorrangig Anforderungen an Lehrkräfte gestellt, in ihrem Unterricht zu bestimmten Fähigkeiten und Einstellungen zu erziehen, da „es von den erzieherischen Kräften fordert, die zu Erziehenden auf die Erfordernisse der gesellschaftlichen Praxis vorzubereiten“ (APW, 1987b, S. 223). Allgemeine geistige Fähigkeiten, Flexibilität sowie ein tieferes Verständnis der Unterrichtsinhalte sollten entwickelt werden, selbstständige Problemlösungsfähigkeiten sollten stärker gefördert werden, um insgesamt zu einer erfolgreichen ‚Lebenspraxis‘ beizutragen.
Nach den Vorgaben marxistisch-leninistischer Theorie war dabei dezidiert die gesellschaftspolitisch konnotierte Lebenspraxis gemeint, wie sie im propagierten Sozialismus zu sein bzw. zu erscheinen hatte (APW 1987a, 305): das „sozialistische Leben“ (Drefenstedt, Drews, Jandt, 1976, S. 126). Es handelte sich dabei nicht zwingend um eine – möglicherweise problembehaftete – reale Lebenswelt von Jugendlichen und Schüler*innen, war aufgrund dieser Implikationen also nicht deckungsgleich mit dem Terminus der „Lebensnähe“ zu verstehen. Der Bezug von Unterricht zu Bedarfen des Wirtschaftssystems unter dem Konzept der Polytechnik, der Fokus auf Kinder und Jugendorganisationen als Ort der Freizeitgestaltung und der umfassenden Anspruch gesellschaftspolitischer Erziehung im Unterricht wird dabei deutlich(APW, 1987b S. 223), Lebensverbundenheit steht so in Verbindung mit der ‚Wissenschaftlichkeit des Unterrichts ‘ und der ‚Parteilichkeit ‘.
Literatur
APW (1987a): Allgemeinbildung und Lehrplanwerk. Ausgearbeitet von einem Autorenkollektiv unter Leitung von Gerhart Neuner. Berlin: Volk und Wissen.
APW (1987b): Pädagogisches Wörterbuch. Herausgegeben von einem Autorenkollektiv unter der Leitung von Laabs, H. J./ Dietrich, G./ Drefenstedt, E./ Günther, K./ Heidrich, T./ Herrmann, A/ Kienitz, W./ Kühn, H./ Naumann, W./ Pruß, W./ Uhlig, G. Berlin: Volk und Wissen.
Drefenstedt, E./ Drews, U./ Jandt, C. (1976): Die didaktisch-methodische Konzeption des Lehrplanwerks und der Unterrichtsprozeß. In: Neuner, G. (Hrsg.): Allgemeinbildung. Lehrplanwerk. Unterricht. Berlin: Volk und Wissen, S. 102–144.