Ideologie

Der Begriff der Ideologie, wie er in der DDR verwendet wurde, unterschied sich explizit von anderen, etwa wissenssoziologischen Fassungen des Begriffs (etwa von Karl Mannheim) und fußte auf den Überlegungen von Marx und Engels zur Deutschen Ideologie (MEW 3), wo diese zuerst die Ideen und Weltanschauungen von Menschen mit den gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen sie leben und ihrer Stellung in den gesellschaftlichen Verhältnissen, in Verbindung brachten. Ganz allgemein gesprochen wurde Ideologie in der DDR gefasst als ein „System der gesellschaftlichen (politischen, ökonomischen, rechtlichen, pädagogischen, künstlerischen, moralischen, philosophischen u.a.) Anschauungen, die bestimmte Klasseninteressen zum Ausdruck bringen und entsprechende Verhaltensnormen, Einstellungen und Wertungen einschließen“ (Philosophisches Wörterbuch, Bd. 1, S. 546).

Nach dem historischen Materialismus – als solchen charakterisierten Karl Marx und Friedrich Engels ihre Geschichtsauffassung – gebe es eine durch die Entwicklung der ‚Produktivkräfte‘ vorangetriebene, gesetzmäßige Abfolge unterschiedlicher ‚Produktionsverhältnisse‘ in verschiedenen Gesellschaftsformationen. Es wird davon ausgegangen, dass das Bewusstsein die gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen die Träger des Bewusstsein leben, eben deren gesellschaftliches Sein, widerspiegele. In einer Klassengesellschaft, wie etwa im Kapitalismus, existieren unterschiedliche Klassen von Menschen, die eben je verschiedene Positionen in den ökonomischen Verhältnissen einnehmen – im Kapitalismus die Klasse der Lohnarbeiter und die der Bourgeoisie, der Kapitalbesitzer. Ihre jeweiligen Sichtweisen auf die Welt, die durch ihre ökonomisch-gesellschaftliche Position bestimmt sind, werden dann als eine Klassenideologie verstanden. Die Gesamtheit der Anschauungen und Interessen einer Klasse ist Widerspiegelung der gesellschaftlichen Lage der Mitglieder der Klasse.

Problematisch ist nun – der marxistischen Position folgend – nicht die Tatsache eines gesellschaftlich bestimmten und partikularen Bewusstseins, sondern diejenige Ideologie, die ein partikulares Interesse zum Interesse aller erkläre: die Ideen der herrschenden Bourgeoisie, die bürgerliche Ideologie. Durch die Trennung der Arbeit in geistige Arbeit (der herrschenden Klasse) und körperliche Arbeit (der ausgebeuteten Klasse) verselbstständige sich das Bewusstsein und verschleiere so die ‚objektiven Verhältnisse‘, die materielle Praxis. Die Arbeiterklasse, die den Kapitalismus zu überwinden helfe, besitze aufgrund ihrer ‚objektiven Stellung‘ in der Gesellschaft eine Ideologie, die als ‚wahrhaft wissenschaftlich‘ angesehen werden könne. Der Antagonismus von bürgerlicher und sozialistischer Ideologie wurde als ‚unversöhnlicher Kampf‘ gesehen, bei dem eine Schwächung der einen Seite eine zwangsläufige Stärkung der jeweils anderen bedeutete.

Sozialistische Ideologie wurde so zur Sache eines/einer jeden: Man hatte parteilich mit der Arbeiterklasse und ihren Interessen zu sein, die bürgerliche Ideologie zu bekämpfen sowie sich für den Aufbau von Sozialismus und Kommunismus einzusetzen. Auf Basis dieses Verständnisses einer notwendig auszubildenden Ideologie wurde ideologische Bildung gegen
‚spontantes', der individiuellen Alltagserfahrung geschuldetes Bewusstsein gesetzt und zu einem wichtigen Erziehungsziel in der DDR. Ziel war die Ausbildung einer ‚allseitig gebildeten sozialistischen Persönlichkeit‘, deren Fähigkeiten und Kenntnisse eng mit der ‚wahrhaft wissenschaftlichen‘ Ideologie der Arbeiterklasse verbunden sein sollten (vgl. Neuner, 1973).

Literatur

Klaus, G. & Buhr, M. (1976): Ideologie. In: Klaus, G. & Buhr, M. (Hrsg.): Philosophisches Wörterbuch. Bd. 1. 12. Aufl. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, S. 546–548.

Marx, K. & Engels, F. (1978): Werke. Bd. 3. Berlin: Dietz Verlag.

Neuner, G. (1973): Zur Theorie der sozialistischen Allgemeinbildung. Berlin: Volk und Wissen.