Generationenverhältnisse

Wissenssoziologische Theorien zu Generationen interessieren sich für die spezifische Konstituierung historisch-gesellschaftlicher Generationen (vgl. Mannheim, 1965). In dieser Perspektive entstehen Generationen etwa durch Geburtsjahrgänge, eine ähnliche raumzeitliche Verortung oder gemeinsam geteilte historische, kulturelle und soziale Erfahrungen (vgl. ebd.). Daneben gibt es einen pädagogischen Generationenbegriff, der einen wichtigen Bezugspunkt und „Grundbegriff“ (Müller, 1999) der Erziehungswissenschaft darstellt. Denn zur Frage wird mit Schleiermacher, wie – unter dem Aspekt der Erziehung – das Verhältnis und die Beziehung zwischen den Generationen, d.h. der jüngeren und der älteren Generationen gestaltet ist (Schleiermacher, 1957). Theoretische Weiterentwicklungen zu Generationenverhältnissen arbeiten heraus, dass die Generationenverhältnisse nicht einseitig sind, es also nicht mehr nur darum geht, wie die ältere, die jüngere Generation erzieht, sondern betont wird vielmehr die Relationalität und „Wechselseitigkeit der Beziehungen zwischen den Generationen“ im Erziehungsprozess und damit des Generationenverhältnisses (Baader, 2018, S. 81). Generationenverhältnisse relational zu denken, heißt auch das Generationenverhältnis nicht nur binär zu fassen, sondern Generationenverhältnisse in Relation zu Geschlechterverhältnissen zu entwerfen und u.a. nach den spezifischen Verknüpfungen von Generation und Geschlecht zu fragen, aber auch Machtverhältnisse dabei nicht zu ignorieren. Diese Perspektive hat auch die Neuere Kindheitsforschung fokussiert, die dabei grundsätzlich herausgestellt hat, dass die Generationendifferenz, also die Unterscheidung zwischen Kindern und Erwachsenen, die jeweils auch mit anderen Rechten ausgestattet sind, Teil der Sozialstruktur moderner Gesellschaften ist (Alanen, 2005).

Mit Blick auf die Erziehung in der DDR ist von einem „doppelten Generationenverhältnis“ auszugehen (vgl. Baader/Koch/Kroschel, 2021). Dies meint, dass ältere Kinder bzw. Jugendliche angehalten wurden, jüngere Kinder mit zu „sozialistischen Persönlichkeiten“ und zur Orientierung an den offiziellen Werten der DDR zu erziehen. Die damit verbundenen Anrufungen waren ebenfalls stark vergeschlechtlicht, etwa wenn es etwa darum ging, wer wem wobei und wie helfen sollte.

Im Zusammenhang mit der Erziehung in der DDR ist auch von „der prinzipiellen Gleichheit der Generationen“ bzw. von „generationaler Gleichheit“ die Rede (Andresen, 2006, S. 213). Dies muss jedoch mit Blick auf autoritäre und gewaltförmige Erziehungsverhältnisse (Lenski, 2023) zurückgewiesen werden und stellt eher eine staatliche Selbstbeschreibung und keine Analyse von generationalen Machtverhältnissen in der DDR dar.

Literatur

Alanen, L. (2005): Kindheit als generationales Konzept. In: Hengst, H.& Zeiher, H. (Hrsg.): Kindheit soziologisch. Wiesbaden: Springer VS, S. 65-82.

Baader, M. S. (2018): Kinder als Akteure oder wie ist das Kind als Subjekt zu denken? Historische Kontexte, relationale Verhältnisse, pädagogische Traditionen, neue Perspektiven. In: Bloch, B./Cloos, P./Koch, S./Schulz, M./Smidt, W. (Hrsg.): Kinder und Kindheiten. Weinheim, Basel: Beltz, S. 22-39.

Baader, M. S./Koch, S./Kroschel, F. (2021): Kinder und Jugendliche als Erziehende. Umkämpfte Kindheit und Jugend in Bildungsmedien der DDR. In: Baader, M. S. & Kenkmann, A. (Hrsg.): Jugend im kalten Krieg. Zwischen Vereinnahmung, Interessenvertretung und Eigensinn. Jahrbuch des Archivs der deutschen Jugendbewegung 16 2020/21. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 159-78.

Lenski, K. (2023): Erziehung. Gewalt. Eine Jugend in der DDR. In: Baader, M. S./Kössler, T./Schumann, D. (Hrsg.): Jugend – Gewalt. Erleben – Erörtern – Erinnern. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 145-162.

Mannheim, K. (1965,1928): Das Problem der Generationen. In: von Friedeburg, L. (Hrsg.): Jugend in der modernen Gesellschaft. Köln, Berlin: Kiepenheuer & Witsch, S. 23-48.

Müller, H.-R. (1999): Das Generationenverhältnis. Überlegungen zu einem Grundbegriff der Erziehungswissenschaft. In: Zeitschrift für Pädagogik, 45, S. 787-805.

Schleiermacher, F. (1957): Pädagogische Schriften. Die Vorlesungen aus dem Jahre 1826. Band 1. In: Schulze, T. & Weniger, E.: Pädagogische Texte, Düsseldorf, München: Küpper.