Erinnerung

Erinnerungen lassen sich aus kulturwissenschaftlicher Perspektive als soziale Phänomene beschreiben (vgl. Moller, 2010). Individuelle Erinnerungen werden durch das soziale und kulturelle Umfeld geprägt, beispielsweise durch Gespräche mit Anderen oder auch aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen. Da in Erinnerungen aus heutiger Perspektive auf frühere Erfahrungen und Erlebnisse geblickt wird, hat die Gegenwart einen bestimmten Einfluss auf Erinnerungen. Das, was Menschen erinnern, wird in gegenwärtigen sozialen Interaktionen immer wieder abgerufen und weiter ausgebildet. So sind Erinnerungen für die Gruppe, in der sie weitergegeben werden, identitätsbildend. Erlebnisse und Erfahrungen, die nicht abgerufen werden, geraten über die Zeit in Vergessenheit (vgl. Welzer, 2011). Somit sind Erinnerungen immer selektiv und perspektivisch (vgl. Assmann, 2013). Neben den sozialen Interaktionen, die die Auswahl der Erinnerungen leiten, sind auch Emotionen bedeutsam für die Bildung von Erinnerungen. Kulturwissenschaftliche Studien haben in diesem Zusammenhang belegt, dass aufgrund der Emotionalisierung auch Filme oder Erzählungen Anderer als eigene Erinnerungen wahrgenommen werden können (vgl. u.a. Welzer, Moller, Tschuggnall, 2002).

Neben individuellen und gemeinschaftlichen Erinnerungen existiert auch eine öffentliche Erinnerungskultur (Assmann, 2013). Hierunter fallen bspw. Gedenktage, mediale Darstellungen oder Gedenkstätten. Im Hinblick auf die Erinnerung an die DDR lassen sich nach Martin Sabrow (2009) drei verschiedene Erinnerungsdimensionen in Bezug auf die DDR ausmachen: Das Diktaturgedächtnis, das Arrangementgedächtnis und das Fortschrittsgedächtnis. Das Diktaturgedächtnis fokussiert auf das politische System und dessen repressive Seiten. Das Arrangementgedächtnis umfasst die Erinnerung an das ‚richtige Leben im falschen‘ und das Fortschrittsgedächtnis stellt die sozialistischen Errungenschaften in den Vordergrund, wie die vermeintlich gleichberechtigtere Rolle der Frau.

Literatur

Assmann, A. (2013): Das neue Unbehagen in der Erinnerungskultur. Eine Intervention. München: Beck.

Moller, S. (2010): Erinnerung und Gedächtnis. (Abruf 12.04.24: https://docupedia.de/zg/Erinne...).

Sabrow, M. (2009): Die DDR erinnern. In: Sabrow, M. (Hrsg.): Erinnerungsorte der DDR. München: Beck, S. 11–27.

Welzer, H. (2011): Gedächtnis und Erinnerung. In: Jaeger, F. & Liebsch, B. (Hrsg.): Handbuch der Kulturwissenschaften. Bd. I: Grundlagen und Schlüsselbegriffe, Sonderausgabe. Wiesbaden: Springer, S. 155–174.

Welzer, H./ Moller, S./ Tschuggnall, K. (2002): „Opa war kein Nazi“ Nationalsozialismus und Holocaust im Familiengedächtnis. Frankfurt a.M.: Fischer.