Der Begriff ‚Einheitsschule‘ beschrieb im bildungspolitischen und pädagogischen Selbstverständnis der DDR das auf einheitlichen inhaltlichen und weltanschaulichen Prinzipien aufgebaute und in den Schul- bzw. Bildungsgesetzen von 1946, 1959 und 1965 festgelegte ohne frühe Selektierung strukturell durchgängige Bildungssystem vom Kindergarten bis zur Hochschule. Dies galt als Bedingung für die Verwirklichung einer in der Pflichtschule gleichen, grundlegenden Allgemeinbildung, die das Ziel hatte, ‚allseitig und harmonisch entwickelte Persönlichkeiten‘ heranzubilden.
Über den Zugang zu höherer Bildung entschieden schulische Leistungen, Fähigkeiten, Begabungen sowie soziale, politische und ökonomische Kriterien in unterschiedlicher Gewichtung und mit zum Teil gravierenden sozialen Konsequenzen in der Geschichte der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und der DDR. Der aus der Tradition ‚fortschrittlicher‘ bürgerlicher Bildungsbestrebungen abgeleitete Begriff bezeugte den Willen, auf Einheitlichkeit etwa des Unterrichtsinhalts ohne sonderliche Rücksicht auf die Individualität der Schülerinnen und Schüler zu beharren und sich über die schulische Logik der Erzeugung von Differenz hinweg zu setzen. Komplexe praktische, vor allem soziale und wirtschaftliche Wirkungen eines solchermaßen durchgesetzten Einheitsprinzips wurden weitgehend ignoriert. Die Durchsetzung von Gleichheit zu Ungunsten der Förderung von Begabungen sowie individueller Neigungen und Bildungsinteressen bei gleichzeitig widerwilligen bildungspolitischen Konzessionen gegenüber ökonomischen Notwendigkeiten etwa in Gestalt sog. Spezialschulen oder eines fakultativen Unterrichts war die Folge. In der zweiten Existenzhälfte der DDR wurde über das Verhältnis von Einheitlichkeit und Differenzierung diskutiert und daraus didaktische Folgerungen in Gestalt einer sog. ‚inneren Differenzierung‘ gezogen.
Literatur
Drewek, P. (1997): Begriff, System und Ideologie der Einheitsschule. Ein Kommentar zu Gerhart Neuners Beitrag über „Das Einheitsprinzip im DDR-Bildungswesen“. In: Zeitschrift für Pädagogik 14, 4, S. 639–657.
Frankiewicz, H. & Autor*innenkollektiv (Hrsg.) (1963): Pädagogische Enzyklopädie. 2 Bde. Berlin: Deutscher Verlag der Wissenschaften.
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Waterkamp, D. (1985): Das Einheitsprinzip im Bildungswesen der DDR. Köln, Wien: Böhlau.