Doppelbelastung

Wenn Erwachsene erwerbstätig sind und zugleich die Hauptverantwortung für die Erziehung und Betreuung von Kindern, für die Versorgung weiterer Personen sowie für den Haushalt tragen, kann dies als „Doppelbelastung“ bezeichnet werden. Da von dieser Konstellation historisch, systemübergreifend wie aktuell Frauen deutlich stärker betroffen sind, ist der Begriff der Doppelbelastung im Kontext der politischen, soziologischen wie historischen Auseinandersetzungen mit der Erwerbstätigkeit von Frauen entstanden. Von Doppelbelastung war erst die Rede, „als sich mit der Durchsetzung industriell kapitalistischer Produktionsverhältnisse die Anforderungen (z.B. Zeitstrukturen) häuslicher, bedarfsorientierter und außerhäuslicher, erwerbsmäßiger Arbeit auseinander zu entwickeln begannen“ (Ostner, 1983, S. 57). Während der Begriff historisch zunächst mit Blick auf die Folgen für den Ehemann benutzt wurde, geriet nach 1945 die Belastung der Frauen durch die verschiedenen Formen der Arbeit, die Erwerbs- und die Hausarbeit, zunehmend in den Blick (ebd.). In der Folge untersuchten sogenannte Zeitbudgetstudien in der alten Bundesrepublik regelmäßig, wieviel Zeit berufstätige Frauen und Männer für die Kindererziehung, für Sorgetätigkeit und für die Hausarbeit aufbringen. Dabei zeigt sich über Jahrzehnte bis heute der gleiche Trend: die Erwerbstätigkeit von Frauen geht nicht mit Kindererziehungs- und Hausarbeitszeiten der Männer einher.

In der DDR zielte sowohl die Arbeits- als auch die Familienpolitik auf die erwerbstätige Frau. Die Erwerbstätigkeit war dabei zugleich der Maßstab für die Gleichberechtigung der Frau, wie sie im Staatsvertrag der DDR festgeschrieben war. Allerdings war es auch in der DDR so, dass Kindererziehung und Hausarbeit gewissermaßen selbstverständlich primär Aufgabe der Frauen waren. Soziologisch gesprochen war dadurch die doppelt vergeschlechtlichte Vergesellschaftung, also die im Produktionsbereich und die im privaten Reproduktionsbereich (vgl. Becker-Schmidt, 2003), auch in der DDR de-thematisiert worden. Damit hatte der in der DDR ‚real existierende Sozialismus‘ die Geschlechterungleichheit in der Praxis nicht lösen können, sondern kam über eine „halbierte Gleichberechtigung“ (vgl. Baader/Koch/Neumann, 2023), bei der die Doppelbelastung nach wie vor vorrangig Frauen betraf, nicht hinaus. Aus der marxistischen Theoriearbeit innerhalb der DDR wurde weder die Naturalisierung der Zuständigkeit der Frauen für die private Reproduktion noch die gesellschaftliche Hierarchisierung von Produktion und Reproduktion infrage gestellt.

Literatur

Baader, M. S./ Koch, S./ Neumann, F. (2023): Von Soldaten und Lehrerinnen. Geschlechterverhältnisse in Bildungsmedien der DDR. In: Zeitschrift für Pädagogik, Beiheft 69, S. 21–39.

Becker-Schmidt, R. (2003): Zur doppelten Vergesellschaftung von Frauen. Soziologische Grundlegung, empirische Rekonstruktion. In: gender… politik … online, S. 1–18. (Abruf 07.05.2024: https://www.fu-berlin.de/sites...).

Ostner, I. (1983): Doppelbelastung. In: Beyer, J./ Lamott, F./ Meyer, B. (Hrsg.): Frauenhandlexikon. Stichworte zur Selbstbestimmung. München: Beck, S. 55–57.