Bildwürdigkeit

Mit dem Begriff der „Bildwürdigkeit“ wird angezeigt, dass nicht alles gleichermaßen für Wert gehalten wird, ins Bild gesetzt und damit gerahmt sowie herausgestellt zu werden.

Den Begriff „bildwürdig“ entwickelte Irene Dölling unmittelbar im Rahmen ihrer Analysen zu stereotypen Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit in der DDR. Damit weist die Entstehung des Begriffs einen direkten Gegenstandsbezug zur Frage nach den Geschlechterverhältnissen in Bilderwelten der DDR auf. Dölling untersuchte dafür Fotos in auflagenstarken Zeitschriften der DDR, die „Frauen und Männer in ihrer Alltagsrealität zeigen“ (Dölling, 1991, S. 7). Ausgehend von der These, dass es insbesondere im Hinblick auf die Verteilung der Produktions- und Reproduktionsarbeit zwischen den Geschlechtern keine Gleichberechtigung in der DDR gab und bis zum Ende der DDR diese grundsätzliche „Trennung nicht beseitigt“ (ebd., S. 197) wurde, kann Dölling anhand der Bilder zeigen, dass die traditionellen Geschlechterverhältnisse trotz Berufstätigkeit der Frauen „weitgehend ungebrochen“ blieben (ebd., S. 8; vgl. auch für die Illustrationen in Schul- und Kinderbücher der DDR Baader/Koch/Neumann, 2023).

Hintergrund der Bildanalysen von Dölling sind zwei grundsätzliche bildtheoretische Annahmen, nämlich, dass Bilder eine hohe Kraft der Faszination entfalten und, dass sich in Bildern gesellschaftliche und politische „Vorstellungen und Normen“ zeigen (Dölling, 1991, S. 8). Im Rahmen ihrer „Kulturgeschichte der Geschlechterverhältnisse für die DDR“ (ebd., S. 9) maß Dölling Bildern eine große Bedeutung zu und untersuchte u.a., „welche Seiten des Lebens von Frauen und Männern ins Bild beziehungsweise nicht ins Bild kommen, das heißt nicht bildwürdig sind“ (ebd., S. 7). Die Frage nach der Bildwürdigkeit hat bei Dölling eine heuristische als auch methodische Dimension mit Blick auf die Analyse von Lebens- und Geschlechterverhältnissen, die einerseits den Blick auf die Geschlechterverhältnisse schärft und andererseits wichtige Ergebnisse zur gesellschaftlichen Positionierung von Frauen produziert. Zentrale Ergebnisse dieser Studie lassen sich an der „Charakterfigur der berufstätigen Mutter“ (ebd., S. 197) verdeutlichen. Mütterlichkeit wird bspw. bildlich durch die „Symbiose von Frauen- und Kinderkörpern“ (ebd., S. 201) inszeniert, wodurch sich die Vorstellung vermittelt, „daß Frauen eine ‚andere Bestimmung‘ haben als Männer“ (ebd.). Zugleich aber wird die Hausarbeit durch die dominante Darstellung der Berufstätigkeit von Frauen bildlich „an den Rand gedrängt“, (ebd., S. 200), indem diese „keine anschauliche Gestalt“ (ebd., S. 211) erlangte. Ins Bild gesetzt wurde vielmehr die gelungene Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Mutterschaft als Ergebnis einer sozialistischen Erwerbs- und Familienpolitik, nicht oder nur sehr selten ins Bild gesetzt wurde hingegen die damit verbundene Doppelbelastung von Frauen (vgl. ebd., S. 208ff).

Literatur

Baader, M. S./ Koch, S./ Neumann, F. (2023): Von Soldaten und Lehrerinnen. Geschlechterverhältnisse in Bildungsmedien der DDR. In: Zeitschrift für Pädagogik, Beiheft 69, S. 21–39.

Dölling, I. (1991): Der Mensch und sein Weib. Frauen- und Männerbilder. Geschichtliche Ursprünge und Perspektiven. Berlin: Dietz Verlag.